Dendrothele acerina

Dendrothele acerina (Pers.) P. A. Lemke
Syn.: Aleurodiscus acerinus
Ahorn-Borkenrindenpilz oder auch Feldahorn-Baumwarzenpilz

Fundbeschreibung von Hansjörg Kevenhörster

 Um Mitte Juni Pilze zu finden, muss man nicht unbedingt bei unangenehm hohen Temperaturen im ausgetrockneten Wald herumstiefeln. Man kann z.B. auch mit seinen Kindern zum Schwimmen in ein Naturbad gehen und dort sogar Pilze entdecken, die bei uns in Vorarlberg nahezu unbekannt zu sein scheinen. Und um solche pilzkundlichen Wissenslücken durch fachliche Informationen zu schließen, hat glücklicherweise Gerhard Bischof die MIP installiert. Er betreut sie auch vorbildlich, sodass es sich wirklich lohnt, öfters darin zu stöbern. Dort wird jedem Mitglied des PKVV nebst anderen Infos auch die Möglichkeit geboten, unter „Wissenswertes“ zahlreiche Pilz-Porträts zu studieren oder solche selber zu schreiben und zu veröffentlichen. Deshalb erlaube ich mir nun, einen Rindenpilz vorzustellen, von welchem in der Österr. Mykologischen Datenbank wohl über 300 Fundmeldungen aufscheinen, jedoch für Vorarlberg nur 4 Funde eingetragen sind. In den Fundlisten zu unseren Vereinsexkursionen wird man kaum mehr, als nur eine einzige Eintragung über diesen Rindenpilz finden.

Am 19. 06. 2021 hatte ich das Vergnügen, mit meinen Kindern das herrliche Naturbad „Untere Au“ in Frastanz zu besuchen. Dort stehen am äußeren Rand der gepflegten Rasenflächen stattliche Bäume von Acer campestre (Feldahorn). Solche prächtigen, freistehenden Zierbäume findet man sonst eher nur in Parks, hingegen sind wild wachsende Exemplare bei uns meist in kümmerlicher Wuchsform oder als Hecke anzutreffen. In der wunderschönen Badeanlage in Frastanz sind mir auf den außergewöhnlich starken Stämmen der kräftigen Feldahorn-Bäume sofort unzählige weiße Flecken aufgefallen. „Flechten oder Pilz“, war jetzt die Frage. Es ist nicht schwer zu erraten, dass es sich hierbei eindeutig um einen interessanten Pilz handeln muss. Allerdings hat er weder Hut, noch Stiel. Er besticht auch nicht durch seine schöne Form, seine auffällige Buntfarbe oder seinen besonderen Geruch und zählt auch sicher nicht zu den besonders begehrten Speisepilzen.

Dendrothele acerina (Ahorn-Borkenrindenpilz) besiedelt fast ausschließlich nur die grobe Borke von stämmigen Feldahorn-Bäumen. Die weißlichen, bisweilen etwas höckerigen Basidiocarpien (Fruchtkörper der Ständerpilze) sind nur 0,1 mm dick und resupinat (vollflächig) mit dem Substrat eng verwachsen. Als unregelmäßige, einzelne Flecken mit einer Länge von 5 bis 30 mm oder auch zu mehreren zusammengewachsen, können sie sehr zahlreich in großen Kolonien ganze Stämme lebender Feldahorn-Bäume besiedeln. Ihre matte Oberfläche wirkt leicht mehlig. Deshalb zählte man sie früher zu den Mehlscheiben.

Meine Mikro-Merkmale ergaben Sporen-Abmessungen von 10-12 x 7-8 µm, keulig-blasige Zystiden mit apikalem (an der Spitze befindlichem) Fortsatz 25 x 9 µm sowie viersporige Basidien 40 x 8 µm. Allerdings musste ich sehr viele Präparate absuchen, bis ich zu diesen Ergebnissen kam. Der Sommer ist ja auch nicht gerade die optimalste Jahreszeit, um Rindenpilze zu mikroskopieren. Christoph Hahn schrieb in seinem lesenswerten Artikel „Dendrothele acerina – leicht bestimmbar, kaum kartiert…“ vom 24. Februar 2010 im Forum der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft, dass Dendrothele acerina besonders in Feuchtperioden des Monats Februar reif ist.

Im Werk von Bernicchia, Band 12, auf den Seiten 264-265 werden im Schlüssel der Gattung Dendrothele 16 verschiedene Dendrothele-Arten erwähnt, 9 davon sind dort auf den folgenden Seiten näher beschrieben. In Europa soll es aber nur 5 Arten dieser corticolen (rindenbewohnenden) Pilzgattung geben. Krieglsteiner führt in seinem Band 1, auf den Seiten 196-199 z.B. 4 Arten an, nämlich D. acerina, D. alliacea, D. commixta und D. griseocana. Die hier von mir beschriebene Art ist makroskopisch von beispielsweise Dendrothele alliacea (Schmalsporiger Borkenrindenpilz) kaum zu unterscheiden. Allerdings besiedelt D. alliacea lt. Literatur hauptsächlich Quercus (Eiche) und andere Laubbäume wie z.B. Acer pseudoplatanus (Berg-Ahorn), Acer platanoides (Spitzahorn), Alnus glutinosa (Schwarz-Erle), Fagus sylvatica (Rotbuche), Populus nigra (Schwarz-Pappel), Salix (Weide), Tilia (Linde) und Ulmus (Ulme). Verlässlich unterscheiden und sicher bestimmen kann man die verschiedenen Dendrothele-Arten nur mit dem Mikroskop. D. acerina hat breit ellipsoide Sporen mit 10-13 x 7-10 µm,  D. alliacea hat schmal ellipsoide Sporen mit 15-17 (18) x 6-7 (8) µm. D. commixta hat Hyphen mit Schnallen, hingegen hat D. alliacea Hyphen ohne Schnallen. Über D. alliacea kann man im Band 2 von Pilze der Schweiz auf Seite 80 noch mehr lesen.

Ich kann verstehen, dass es vielleicht als ziemlich extrem empfunden wird, wenn ein Badegast seine Fotoausrüstung für Makroaufnahmen samt Stativ, Messer und Probenbehälter ins öffentliche Schwimmbad mitschleppt, um dort Pilze zu erforschen. Aber welcher leidenschaftliche Pilzkundler könnte denn so einen Fund ganz einfach ignorieren? Diesen, bei uns in Vorarlberg fast unbekannten Pilz, musste ich doch unbedingt näher kennen lernen und nun mit meinem Pilz-Porträt alle Interessierten des PKVV am Wissenswerten zu diesem Fund teilhaben lassen. Und ich hoffe sehr, dass dieser Beitrag doch einigermaßen informativ ist.