Mykologische Preziosen

Oder das stille Glück eines Unbedarften.

Lockdown Nr. 2 birgt auch seine guten Seiten. Er schenkt Zeit, einmal in Ruhe zurückzublicken auf die vergangenen Begegnungen mit unserer Pilzwelt und die aufregendsten Momente, die man so leicht nicht vergisst. Ich möchte sie mit Euch teilen.

Meist völlig unverdient und schlicht nichts ahnend waren mir in den letzten Jahren große Raritäten vor die Kamera „gelaufen“. Und – seltsamer Weise – spielten dabei fast immer mehr oder weniger unbedeutende Begleitpilze, welche meine Aufmerksamkeit zuerst banden, eine wesentliche Rolle. Denn erst beim genaueren Hinsehen und Fotografieren dieser „stillen Begleiter“ stachen dann auch die bis dahin übersehenen „Preziosen der Pilzwelt“ ins Auge. Und so manchen dieser schönen Momente schenkten mir meine pilzverliebten Kollegen Hansjörg, Gerhard, Martin und Werner.

Erlebnis Nr. 1 (Kurz vor der Pilzseminarwoche in Feldkirch 2016)
Werner Oswald, dem ich eine ganze Reihe reizvoller und informativer Pilzexkursionen in Vorarlberg verdanke, hatte mich öfters in Satteins Richtung Käspis Ebene mitgenommen. Ein kleiner Platz im Wald, um den die Schotterstraße herumführt, so schilderte er, sei ein ganz besonders ergiebiger Fundort für seltene Pilze. Also lenkte ich später immer wieder einmal meinen Weg dorthin und musterte die vielleicht 300 m2 große moosbewachsene Fläche im Buchen-Fichtenwald. Am Rand dieser fast ebenen Fläche, dort wo sie beginnt, steil zur Straße abzufallen, entdeckte ich im August 2016 einen ziemlich unauffälligen Risspilz. Die Schwierigkeit mit der Risspilzbestimmung war mir damals noch nicht bekannt und so hielt ich ihn im Bild fest, um später seinen Artnamen klären zu können. Er blieb ungeklärt. Aber:
Nach alter Gewohnheit die direkte Umgebung begutachtend, fiel mir ein völlig unscheinbares grünes Keulchen auf. Bei genauerem Hinsehen waren es dann gleich mehrere, nämlich 10. Also wieder Stativ aufstellen, Blitz einschalten (was ich heute wegen möglicher Farbverschiebungen nicht mehr tue) und fotografieren. Erst auf dem Display der Kamera wurde mir die Schönheit dieses so schlanken Ascomyceten bewusst und so war ich wahrhaftig überrascht, als Werner mir diesen Pilz als seltene Microglossum griseoviride, die Graugrüne Buchen-Erdzunge beschrieb. Gab es bis dahin in der Datenbank der Pilze Österreichs doch nur 2 Erwähnungen, eine aus der Umgebung von Graz (1999) und eine von Schiefling am Wörthersee (2009).

Es war mein erster, ungewollter mykologischer Volltreffer. Ja,ja, dachte ich mir, „Manchmal findet auch ein blindes Huhn…..“

Als ich später während des Pilzseminars in Feldkirch Gernot und Michaela Friebes in diesen Wald führte, mussten wir eine halbe Stunde suchen, bis wir die von mir leider nicht genau markierte Stelle wiederfanden, so unscheinbar ist diese so seltene Erdzunge.
Das Übersichtsbild lässt vielleicht erahnen, wie unscheinbar die darauf abgebildeten 10 Erdzungen tatsächlich sind. Und wie eindrucksvoll sich in der Vergrößerung dieses den Namen verdienende „Micro“-glossum darstellt.

Suchbild: Finde die 10 Exemplare

Erlebnis Nr. 2 (Pilzseminarwoche in Semriach 2019)

So wie in der Einleitung beschrieben erging es mir vor allem bei der Psathyrella globosivelata = P. friburgensis), dem Körnigen Mürbling (= Parasitischer M.), einem Erstfund für Österreich. Nach Gernot Friebes eines der Highlights dieser Pilzwoche.
Ich war mit Hansjörg und Gerhard unterwegs und wie immer gingen wir auseinander, um ein größeres Fundgebiet abzusuchen.  Am Rande eines eher ärgerlichen Holzabfallhaufens mitten im Wald fielen mir zuerst zwei Teuerlingsarten auf: Crucibulum laeve oder Crucibulum crucibuliforme, wie er heute heißt – welch‘ seltsame Bezeichnung, der wortwörtlich teuerlingsartige Teuerling (Gemeiner Tiegelteuerling) –  und Cyathus striatus, der Gestreifte Teuerling. Teuerlinge sind mir besonders „teuer“ geworden, seit ich dieses Blatt mit den 2 wunderbaren Zeichnungen (s.u.) aus dem Buch „Pilze der Heimat“ von E. Gramberg (1921) geschenkt bekommen habe.
Also wurden diese fotografiert und dann der Holzhaufen von der rückwärtigen Seite begutachtet. Und siehe da, es gab weitere Pilze, eine Conocybe, ein Samthäubchen ragte aus den vermodernden Holzschindeln heraus. (Wurde später von Irmgard als Conocybe ambigua, das Mandelsporige Flaumstiel-Samthäubchen angesprochen). Und dann erst entdeckte ich daneben diese auffallend weiße glimmerig-körnige Pilzgruppe. Ich fotografierte sie, löste sie aus dem Holzstapel heraus und war überrascht, dass diese Pilze auf einer kleinen sklerotienähnlichen „Nuß“ wuchsen. Nach einem neuerlichen Foto nahm ich diese Pilzgruppe mit zum Seminar.
Bei unseren Experten Irmgard, Gernot und Christoph war dann aber zuerst guter Rat teuer, schon die Gattung war schwer auszunehmen. Bis irgendwann der Name Psathyrella fiel und, siehe da, im Ludwig Band 2 / Nr. 98.6 auf Seite 176 das Geheimnis gelüftet werden konnte. Psathyrella globosivelata, Parasitischer Mürbling mit kugeligen (globosi..) Zellen in der Huthaut, vom deutschen Mykologen Frieder Gröger 1986 erstmals beschrieben. (https://www.dgfm-ev.de/publikationen/eine-neue-psathyrella-art-aus-der-sektion-cystopsathyra/download)

Der Pilz war ein Neufund für Österreich, bis dahin nur von wenigen Exemplaren in den Niederlanden und Deutschland bekannt. Die Vermutung, dass der Pilz auf Lepista irina (Veilchenritterling) oder auf Conocybe (Samthäubchen) parasitisch lebt, wurde hier durch die benachbarte Conocybe ambigua bestätigt. Offensichtlich kommt dieser parasitierte Pilz über das Primordialstadium nicht hinaus, weil die Psathyrella das Wachstum stoppt und bleibt in Form dieser hellbräunlichen Nuß stehen.
Für die Kartierung des Neufundes waren die durch das GPS-Gerät auf der Nikon-Kamera vermittelten geografischen Koordinaten dienlich. Aufregend für mich: erstmals ein Österreich-Neufund.

Erlebnis Nr. 3 (Exkursion unseres Vereins am Ardetzenberg):

Es war ein ziemlich unspektakulärer Samstag, dieser 22. Feber 2020. Schönes Wetter, nicht zu kalt, mein Sohn Bernhard hatte Geburtstag. Die Erwartungen waren nicht sehr groß und so notierte und fotografierte ich eifrig, was der Wald im Tierpark so alles bot. Gegen Ende der Exkursion lag da noch ein dicker vermodernder Ast, wahrscheinlich Kiefer, mit einer weiß-orangefarbenen Wachskruste, den ich der besseren Optik wegen auf ein Gebüsch legte und so fotografierte. Meine Frage an Hansjörg, ob er bereit wäre, sich den Pilz genauer anzusehen, beantwortete er mit einem Oje, weißt Du wieviel Arbeit das bedeutet? Da kann ein ganzer Tag „draufgehen“.
Es sollte nicht einen Tag, es sollte eine ganze Woche dauern, bis Hansjörg – dem ich an dieser Stelle einmal ganz herzlich DANK sagen möchte für seine unglaubliche Ausdauer, seine penible Genauigkeit bei jeder Untersuchung und seinen wissenschaftlich Hunger – zum Schluss kam, diesen Pilz kann er letztlich nicht exakt bestimmen und ihn dann zur Sequenzierung an Frau Prof. Irmgard Krisai-Greilhuber schickte. Und siehe da, geradezu eine Sensation wurde zurückgemeldet: Es ist eindeutig Crustoderma fibuligerum (K.S. Thind & S.S. Rattan) Duhem, die  Schnallentragende Krustenhaut. Zum dritten Mal in Europa entdeckt und erst vor 2010 in Frankreich von den Autoren aus der Peniophora-Gruppe zu den Crustoderma-Arten verschoben.
Das Unscheinbare dieses Pilzes mag wohl der Hauptgrund für bisher fehlende Nachweise in Europa sein. Aber ehrlich gesagt, auch das Unscheinbare kann Freude machen. Jetzt also ein „Europafund“. Alle Details und zahlreiche wunderschöne (Mikroskop-)Bilder hat Hansjörg auf unsere MIP gestellt, bitte dort nachlesen (https://pkvv.gerhardbischof.com/wissenswertes-und-links-2/pilzportrait/crustoderma-fibuligerum/).

Erlebnis Nr. 4 (am Rande eines Treffens der Familie Stadler im Montafon):
Ein von meiner Frau organisiertes Stadlerisches Familientreffen in Partenen, bei welchem gemeinsam ein Brotbackkurs besucht wurde, war der Rahmen für das nächste aufregende Erlebnis. Ich hatte mich kurzzeitig verabschiedet, um die mir unbekannte Umgebung etwas genauer nach mykologischen Schätzen abzutasten. Nicht ohne zuvor bei unseren Wirtsleuten die besten Pilzstellen des hinteren Montafons erfragt zu haben. So wanderte ich links vor der Mautstelle (der Straße zur Bielerhöhe) über Golfplatzwiesen in einen ansteigenden Fichtenwald und dort auf eine Lichtung mit einer moosdurchsetzten, stellenweise sehr feuchten Magerwiese, neben welcher der Zeinisbach rauschend seinen Weg ins Tal suchte. War der Wald noch fast pilzfrei, so erwies sich die Wiese als ein mykologisches Eldorado. In kürzester Zeit hatte ich über 10 Arten gefunden und wollte schon abbrechen, um das Belegen des frischen Pizzateigs für das Mittagessen nicht zu versäumen, da fielen mir 2 Entoloma-Pilze auf, neben denen offensichtlich die zerfließenden Reste eines anderen Pilzes waren. Meine Neugierde war geweckt und so vergaß ich schnell die Pizza. Unweit der Stelle fand sich in der Wiese ein wunderschön frisches Exemplar einer weiteren Erdzunge, die ich so bisher noch nie gesehen hatte. Schon wieder eine Erdzunge, dachte ich mir, an Käspis-Ebene denkend, diesmal in bräunlich-oliven Tönen. Eine Seltenheit. Ganz aufgeregt durchsuchte ich später, nach der Rückkehr nach Frastanz, alle möglichen Quellen und landete immer wieder bei Microglossum olivaceum. Gernot Friebes hat diese Erdzunge 2014 bei Siegendorf in der Umgebung von Eisenstadt erstmals für Österreich gefunden und beschrieben. Er war es auch, der mir die Bestimmung bestätigte, gleichzeitig aber den Zusatz agg. empfahl, da es einige nahe und umstrittene Taxa gibt. Die auf dem gleichen Foto noch auszunehmende Clavulinopsis corniculata, die Geweihförmige Wiesenkoralle zählt auch nicht gerade zu den häufigsten Pilzen in Österreich (25 Eintragungen in Ö / 2 in Vlbg). Und für den Rötling, der all‘ das ausgelöst hatte, empfahl Gernot, bei Entoloma jubatum mikroskopisch nachzusehen. Aber dazu hatte das Familientreffen dann leider doch zu lange gedauert!

Erlebnis Nr. 5 (Ein Wanderung in Gaisbühel im November 2020 / Vor dem Lockdown Nr. 2)
Die Buchenblätter raschelten schon ganz ordentlich auf den Wegen – und erinnerten an die Jugendjahre, als wir mit dem Schlürfen am Boden die Schuhe ruinierten – da stieg ich über die ersten Querwege über der ehemaligen Lungenheilstätte Gaisbühel in höhere Lagen. Erstaunlich, wieviel Waldbringungs- und Wanderwege hier angelegt wurden, sicher auch ideal für die früheren Lungenkranken des nahen Spitals, und ließ meinen Blick über die wenigen Stellen gleiten, die nicht von Buchen-Eichen-Ahorn-Ebereschen-Blättern bedeckt waren. Und plötzlich riss es mich aus meinem verträumten Wandern. Ein kleiner unscheinbarer, leuchtend lilafarbener und kerbrandiger Kreis am Boden inmitten von Bergahorn und Buchenblättern fesselte meine Aufmerksamkeit. Vielleicht 3 cm im Durchmesser, auch nicht viel höher, nicht unähnlich einer von Schnecken angefressenen Laccaria amethystina, erwies sich bei genauerem Hinsehen dann doch als mögliche Neuheit. Das in der Natur so ungewohnte Blauviolett hatte es mir angetan. Da ich daheim nicht fündig wurde, schickte ich die Bilder einen Tag später an Uschi, welche mich postwendend bat, den Pilz sofort in den Kühlschrank zu geben oder zu trocknen. Sie sei sich sicher, dass es sich um die Chromosera viola, den Veilchen-Saftling oder Veilchen-Ellerling (Basionym: Hygrocybe viola J.Geesind & BAS, Persoonia 12(4): 478 (1985 erstmals beschrieben und 2012 der Gattung Chromosera zugeordnet)), handelt, von dem bisher nur 1 Fundort in der Südoststeiermark (Edelsbach bei Feldbach, Finderin Annemarie Gallé, ) bekannt ist. Gernot Friebes hat diesen damaligen Fund ausführlich und in allen Details beschrieben: Chromosera viola, neu für Österreich Gernot Friebes – Zobodat Die Suche nach weiteren Exemplaren verlief leider ergebnislos. Die Mails, die ich von Annemarie dann bekam, „annemierten“ mich durchaus zu weiteren Entdeckungen. Sie hat heuer leider nur ein kümmerliches Exemplar gefunden.
Aber dieser Glückstreffer ließ mir doch keine Ruhe und so suchte ich 2 Tage später wieder diese Stelle auf und fand dann tatsächlich noch zwei Exemplare in der lehmig-tonigen Erde direkt am Wegesrand. Eines mit 1 cm im Durchmesser, das zweite von Schnecken (?) am Stiel angefressen und deshalb schon auf der Seite liegend. Wieder konnte ich die strahlenden Farben fotografisch festhalten. Und das war gut so. Denn als ich 3 Tage später Uschi zu dieser Stelle führen wollte, war von den Pilzen nichts mehr zu sehen. Sie waren wohl schon in irgendeinem Insekten- oder Schneckenmagen gelandet. Aber der Fundort ist koordinatenmäßig festgehalten, samt Bildern zu Irmgard nach Wien und zu Gernot nach Graz gemeldet und wartet nun wohl bis zum nächsten Jahr auf unseren neuerlichen Besuch. Im Ludwig Band 3/134 gibt es eine der Wirklichkeit sehr nahekommende Zeichnung dieses wunderschönen Veilchen-Ellerlings oder Veilchen-Buntnabelings. Eigenartig, aber fast alle, denen ich Bilder dieses Saftlings schickte, schreiben von den unwirklich schönen Farben.

Erlebnis Nr. 6 (das ich Werner Oswald verdanke):
Vom Pilzeldorado auf dem Weg zu Käspis-Ebene habe ich im Zusammenhang mit Microglossum griseoviride schon berichtet. Am 8. Oktober des heurigen Jahres rief mich Werner an und empfahl, eben diese Stelle aufzusuchen. Eine ganze Kolonie von Cystoderma superbum, dem prächtigen und seltenen Weinroten Körnchenschirmling (bisher 1 Kartierung aus dem Jahr 2013, Fundort Klausen-Leopoldsdorf in NÖ) sei direkt neben dem Asthaufen rechts der Straße zu finden. Ich setzte mich sofort ins Auto – wer weiß, wie lange solche Funde frisch und nicht angeknabbert erhalten sind – und musste meine Fahrt bei Gott nicht bereuen. Über 50 Exemplare waren über den kleebewachsenen kiesigen und mit Zweigen überhäuften Waldboden verteilt und wetteiferten um das schönste Gehabe. Wieder ein Erlebnis, das ans Gemüt geht. Welch herrliche Farben die Natur doch entwickelt, um uns zu erfreuen. Nein, nicht uns, nur um im biodiversitätsreichen Habitat den je eigenen Platz zu finden, das Überleben zu sichern und „unwissentlich“ die Evolution weiterzutragen. Welch irriges Unterfangen ist doch des Menschen Wollen, diese Welt sich nach eigenem Gutdünken untertan zu machen.

Erlebnis Nr. 7 (am 2. Tag des neuerlichen Lockdowns, Vitaparcours in Satteins / 18.11.2020)
Zu unserem Glück wurde von der Regierung der tägliche Erholungsspaziergang nicht verboten. Er wirkt auf Körper und Seele und stärkt dank der Terpenbotschaften der Bäume im Tannenwald das Immunsystem. Am Wald-Parkplatz vor Röns, von dem aus wir unsere Vereinsexkursionen immer beginnen, startend, wollte ich einmal den Vitaparcours von Satteins auf seiner ganzen Länge erkunden. Er war gerade frisch mit rutschfestem Kiesmaterial geschüttet worden (danke!) und so genoss ich trotz des stetigen und manchmal steilen Auf- und Ab diese neuzeitliche Sporteinrichtung. Gegen Abend zu, schon fast am Ende des Weges, aber noch vor der Wassertrete lagen am Wegesrand alte abgesägte Baumstämme. Und darauf leuchteten in schräger Abendsonne muschelartige Pilze von einer Schnittfläche. Ein seltsam hellgrau-olives Beige an der Hutoberfläche mit dunklerem Ornament und Lamellen, die weit den Stiel hinabreichten reizten zum Erkunden. Als ich eine Gruppe ablösen wollte und dazu den Pilz in die Hand nehmen musste, war mir rasch klar, dass ich diesen Pilz erst vor Kurzem auf einem liegenden Baumstamm in der Nähe der Valduna schon fotografiert hatte (Werner hatte mir diesen Tipp gegeben). Er war klebrig, harzig und von fester Konsistenz. Jetzt hatte ich ihn also selbst entdeckt, den Neolentinus adhaerens, den Harzigen Sägeblättling. Und das hat schon nochmals eine andere Dimension, diese erste persönliche Entdeckung. Und ist auch hier wie im zwischenmenschlichen Bereich manchmal mit Herzklopfen verbunden.

Erlebnis Nr. 8 (und damit will ich schließen, in der Seminarwoche 2017 in Knappenberg)
Die Begegnung mit den drei Pilzen, die ich Euch am Schluss noch vorstellen darf und die für mich alle „Sonderstatus“ genießen, verdanke ich Martin Bont, Hansjörg Kevenhörster und Gerhard Bischof. Wir hatten uns entschlossen, an diesem Tag, dem 29. August, das 175 ha große Natura 2000 Gebiet Hörfeld-Moor südlich der Ortschaft Mühlen aufzusuchen, das zu 2/3 in Kärnten und zu 1/3 in der Steiermark liegt. Diese Landesgrenze sollte noch eine wichtige Rolle spielen bei der geografischen Zuordnung des sensationellen Fundes von Martin, der Hypocreopsis lichenoides, der nordischen Trollhand oder des Weiden-Scheinflechtenpilzes, wie er seines Aussehens wegen auch benannt wird. Wohin war er zu kartieren? Steiermark oder doch Kärnten. Der bis dahin einzige kartierte Fund war 1978 bei St. Radegund in der Nähe von Graz, hat sich aber nach Überprüfung durch Gernot Friebes 2019 als Fehlbestimmung herausgestellt.  Also ein Erstfund für Österreich. Der Pilz wächst gerne auf Hymenochaete tabacina, der Tabakbraunen Borstenscheibe. Diese wiederum besiedelt verschiedene Weiden und Hasel, speziell jene, wie in unserem Fall, welche in der Nähe von Mooren und Bruchwäldern wachsen. Ist also so wählerisch bzgl. der ökologischen Kriterien. Diese Trollhand war dem Echo nach zu schließen und sehr zur Freude von Martin DIE Sensation dieser Woche.

Aber das war für uns nicht der einzige Höhepunkt dieses Tages. Schon beim Einstieg ins Moor entdeckten wir einen mit Moosen und Flechten dicht besiedelten alten Weidenstamm, aus dem leuchtend rote Flecken herausragten. Auch hier die freudige Aussage von Hansjörg: den wollte ich immer schon mal sehen: Cytidia salicina, auch Terana salicina oder Stereum salicinum betitelt, der Blutrote Weidenscheibenpilz, der nach der leider nicht ganz aktuellen Dämon’schen Datenbank Vorarlberg bisher gemieden hat. Ein Prachtpilz, der zum lebhaften hellen Grün der Moose wunderbar kontrastierte.

Nicht minder farbenfroh ist der 3. Pilz, den ich unter meine persönlichen Preziosen von Knappenberg einreihe und Euch vorstellen will, ein Vertreter der Gallerttränenverwandten und in der Steiermark weit verbreitet. Aber er meidet Nieder- und Oberösterreich, das Burgenland, Wien und eben auch Vorarlberg. Eigenartigerweise ist die Art im Breitenbach-Kränzlin gar nicht vertreten.
Sein etwas seltsamer Name leitet sich von einem französischen Mykologen ab, von Jean-Pierre Guépin (1779-1858) und ist Guepiniopsis buccina, der Becherförmige Haargallertpilz. Zwei seiner Gattungsverwandten (G. alpina und G. suecica sind in Vlbg.‘s Alpen anzutreffen)

Vielleicht geht es vielen von Euch auch so. Das unverhoffte Glück hat einen besonderen Stellenwert im Leben. Es erfüllt uns mit Dankbarkeit. Und treibt uns, die Pilzliebhaber, immer wieder hinaus in Gottes Feld und Flur, um seine Wunder zu bestaunen und bescheiden zu werden ob der unfassbaren Vielfalt und Schönheit der Schöpfung.